
Der Zeit-Kolibri und die Raum-Spinne, die die Sanduhr in Bewegung setzen eine synästhetische Klang-Fabel nach Gerald Eckert – Feld 3
Link: Gerald Eckert – Feld 3
Da ist ein dunkelgrün-metallischer Kolibri auf schwarzem Grund. Die Struktur seiner Federn reflektiert und absorbiert gleichermaßen das Licht, das auf ihn scheint, und die Dunkelheit, durch die er sich bewegt. Er hat ein sehr temperamentvolles Gemüt, das in der Natur eines Kolibris liegt, doch besitzt er die besondere Fähigkeit die Zeit anzuhalten, indem er im Schwebezustand plötzlich seine Flugbewegungen aussetzt. Denn mit seinen insektenähnlich flatternden Flügeln sorgt er für den kontinuierlichen Fluss der Zeit. Setzt er diesen Fluss in voller Fahrt aus, bleibt die Zeit für einen Moment stehen. Der Kolibri schaut nach rechts zu einer Spinne. Sie spannt die Fäden, die den Raum kreieren. Sie haben unterschiedliche Spannungen sowie Beziehungen untereinander und ihre Verbindungs- und Befestigungsknoten bilden Koordinaten. Sie selbst ist aber ein eher unscheinbares Wesen, das im Gegensatz zum prunkvollen Auftreten des Kolibris steht. Der Kolibri und die Spinne beginnen zu interagieren und erschaffen dadurch die Raumzeit. Innerhalb dieser Raumzeit treten immer wieder Spannungen und Verknotungen auf, die z.B. erscheinen, wenn die Zeit künstlich beschleunigt wird. Doch durch die Fähigkeit des Kolibris die Zeit anzuhalten, kann die Spinne wieder Ordnung in den Raum bringen. An einem Punkt nimmt das Durcheinander aber Überhand und sie beschließen ein weiteres Hilfsmittel zu entwickeln. Die Spinne und der Kolibri lassen ein langsam glühendes grünes Feuer mit dunkelrotem Flammenkern entstehen, das für die Dauer eines ganzen Zeitzyklusses brennt. Daraus erschaffen sie eine gläserne Quarzsanduhr, die mit ebendiesem Quarzsand gefüllt ist. Eine weitere Zeitdauer diskutieren der Kolibri und die Spinne nun, wie dieses Werkzeug einzusetzen sei und wann. Schließlich stößt der Kolibri im Eifer des Gefechts gegen die Sanduhr und langsam setzt sie sich aus ihrem Stillstand in Bewegung. Sie dreht sich langsam auf die Seite und schließlich weiter, bis der Sand ganz allmählich zu rieseln beginnt. Ruhig, aber stetig rinnt nun die bemessene Zeit in ihrem hermetischen Raum dahin. Was wird geschehen, wenn sie abgelaufen ist?
Murmer – Songs For Forgetting – III The Third Song For Forgetting
Link: Murmer – songs for forgetting
Ein Sturm aus Wasser, Wolken und Wind. Er kommt von nirgendwo und geht nirgendwo hin. Er ist wie ein Meer, aber schwerelos. Grau-grün-bläuliche Fetzen erfrischend und zerstörend zugleich. Dann gelbes Licht. Es schiebt den Winddunst wie eine Wand hinweg, tritt als strahlend neues Szenario herein. Keine Grenzen, kein Oben und Unten, kein Nah und Fern, nur warmes gelbes Licht. Fein geriffelte Licht-Tortenstücke wie auf einer Schallplatte beginnen den Raum zu einem konzentrischen Fluchtpunkt hin zu modellieren. Ein Lichtpunkt erscheint inmitten des Lichts, mehr weiß als gelb, leuchtet auf und erlischt wieder in einem gleichmäßigen Rhythmus: zirkulierendes Licht aus einer anderen Perspektive: Ein Leuchtturm. Kaum benannt, manifestiert er sich in physischer Gestalt. Da sitzt eine Person auf dem Turm. Es ist Torben, der die Musik aufgelegt hat. Ich beobachte ihn, wie er von seinem Turm aus die Welt im zirkulierenden Lichttunnel betrachtet, während ich außerhalb von allem stehe, überall und nirgendwo zugleich. Wie viele verschiedene Sichtweisen auf die Welt wohl existieren – ein Portrait aus der Perspektive eines Portraitierten.
Emilie Schmidt, aufgewachsen in Plön, studierte zunächst in Braunschweig Architektur an der TU (2011-2014) und anschließend Freie Kunst an der HBK (2014-2020). Zeitweise Aufenthalte in Frankreich (seit 2016) und Kolumbien (2018), Teilnahme an bzw. Austragung von Ausstellungen und Veranstaltungen in Deutschland und Frankreich. Zudem ist sie als experimentelle Instrumental-Musikerin tätig. Sie beschäftigt sich mit Raum- und Klang-Atmospheren und der Beziehung zum Menschen und seiner Umgebung. Ihr Vorgehen ist meist architektonisch-inversiv, aber auch kompositorischer Natur.